Nachdenken über Venezuelas Zukunft
Es lässt sich Vieles lernen aus der Vergangenheit. Mit Blick nach Venezuela gilt das besonders für Besucher der Kunsthalle Mannheim. Dort hängt Édouard Manets Gemälde „Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“ von 1868/69. Was das mit Venezuela und der Gegenwart zu tun hat? Nun, um seine Ansprüche in Lateinamerika zu sichern, inthronisierte der französische Monarch Napoleon III. einst Maximilian in Mexiko und intervenierte so im dortigen Bürgerkrieg. Die Situationen sind also durchaus vergleichbar: Um ihre Interessen im ölreichen Venezuela geltend zu machen, halten Russland und China am Amtsinhaber in Caracas, Nicolás Maduro, fest, während die USA und die meisten Staaten der Europäischen Union den Interimspräsidenten Juan Gauidò unterstützen. Wie einst Maximilian sind Maduro und Guaidò derzeit Weltmachtstatthalter.
Das ist im Falle von Maduro bekannt. Weniger Berücksichtigung findet, dass Guaidòs Minderheitspartei Voluntad Popular kaum in Venezuela verwurzelt ist, sondern Unterstützung vor allem von Exil-Venezolanern in den USA und deren Netzwerken dort erhält. Zu diesen Unterstützern zählt mit dem US-Sonderbeauftragten für Venezuela, Elliott Abrams, ein altgedienter Politiker, der seinerzeit unter US-Präsident Ronald Reagan für die Interventionen der Vereinigten Staaten in El Salvador, Guatemala, Nicaragua oder Panama verantwortlich zeichnete. Abrams geht es nicht um Demokratie in Lateinamerika, sondern um US-Interessen dort. Daher Abrams‘ Unterstützung für Gauidò.
Die Frage ist demnach, was in Venezuela geschieht, sollte Gauidò die Ablösung Maduros erreichen. Es genügt daher nicht, dass sich die demokratischen europäischen Staaten mit Gauidò solidarisch zeigen, wie das augenblicklich der Fall ist, sondern ihr Blick muss vorausschauender darauf gerichtet sein, wie nach Maduros möglicher Absetzung ein politisches Vakuum in Venezuela verhindert werden kann. Die politische Opposition dort aus Linken und Gemäßigten ist sich nur in ihrer Gegnerschaft zu Maduro einig und ansonsten auch intern zerstritten. Und Gauidò hat noch kein Konzept vorgelegt, wie es nach eventuellen Neuwahlen weitergehen soll. Einen runden Tisch der Oppositionskräfte wird er in seinem konservativen Unterstützerkreis kaum durchsetzen können.
Gegenüber von Manets Gemälde in der Mannheimer Kunsthalle steht als Skulptur eine Spieluhrwalze des mexikanischen Künstlers José Antonio Vega Macotela mit Sklavenliedern als Musik. Will sagen: Es geht um die Stimme des Volkes. Was das mit Blick auf die politische Entwicklung in Venezuela heißen soll? Nun, die dort intervenierenden europäischen Staaten dürfen es nicht bei der Unterstützung Guaidòs zur Absetzung Maduros belassen, sondern müssen im Anschluss auf eine umfassende Demokratisierung des Landes dringen. Will sagen: Es wird nicht mit Neuwahlen getan sein, sondern Venezuela braucht einen parteienübergreifenden Konsens zur demokratischen Zukunft des Landes. Und für eine solche Lösung ist Guaidò derzeit nicht der richtige Mann.
Schreiben Sie einen Kommentar