NoViolet Bulawayo, die in den USA lebende Schriftstellerin aus Simbabwe, spricht im DAI Heidelberg über ihren Roman „Glory“
Muss die Geschichte und Gegenwart des südafrikanischen Landes Simbabwe geläufig sein, um den Roman „Glory“ der Autorin NoViolet Bulawayo verstehen zu können? Seine Handlung spielt ja auf den Sturz des Ex-Diktators Robert Mugabe und die folgende Diktatur des neuen Regimes an . . .
Jutta Wagner, die Leiterin der Bibliothek und des Literarischen Zentrums am Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) in Heidelberg, nahm dieser anfänglichen Sorge unter dem zahlreichen Publikum gleich den Wind aus den Segeln, indem sie den Abend mit NoViolet Bulawayo weniger als Lesung, sondern mehr als Gespräch anlegte.
Und Bulawayo, die mit ihrem soeben bei Suhrkamp auf Deutsch erschienenen Roman „Glory“ auf Lesereise durch Deutschland ist, zeigte sich als jeder Frage gegenüber aufgeschlossene Gesprächspartnerin, die umsichtig und geduldig von den Geschichten ihrer Großmutter erzählte, die sie in ihrer Entwicklung als Autorin inspirierten, und die zugleich klar und bestimmt betonte, dass sie ihren Roman nicht als Parabel allein auf Simbabwe verstanden wissen wolle, sondern als einen Diktatorenroman, der auf zahlreiche Länder übertragbar sei.
Im Roman „Glory“ – witzigerweise mit Tieren als Protagonisten geschrieben und insofern an George Orwells „Farm der Tiere“ erinnernd – setzt ein junges Ross der Herrschaft des alten Rosses, eines lahm gewordenen Gauls, ein Ende. Die Tyrannei des jungen Hengstes entpuppt sich indes als furchtbarer als die des alten Hengstes. Zudem treten weitere Traumata zutage, die von Kolonialismus herrühren, von Unabhängigkeitskampf, Bürgerkrieg und Völkermord.
Repräsentative Traumata
Derart thematisiert Bulawayo den Verlust des Selbstwertgefühls eines Volkes, den Verlust von Stolz und Selbstvertrauen – mithin in der Tat übertragbare Phänomene. Und ob dafür jahrzehntelange Kolonisierung verantwortlich ist, Unterdrückung durch neokoloniale Regimes oder aber durch Autokraten und Diktatoren – dafür gibt es wirklich global auffindbare Beispiele.
Es muss auch gar nicht Orwells Roman „Farm der Tiere“ der Bezugspunkt sein, der angesichts der Figurenkonstellation aus Tieren in „Glory“ in den Sinn kommt. Bulawayo sagt da ganz schlicht und nüchtern, dass seit jeher in Fabeln, Märchen und Legenden weltweit Tiere die Akteure des Geschehens sind und es daher nur naheliegend ist, sie auch in einem Roman wie „Glory“ als Hauptfiguren auftreten zu lassen. Und die Handlung ist auch nicht nur tragisch, sondern steckt zugleich voller Komik und Satire, die Sprache voller Humor und Witz.
Sprachliche Verspieltheit
Sprachlich ist Bulawayos Stil ohnehin verspielt. Bulawayo verbindet die Alltagssprache aus Twitter- und WhatsApp-Nachrichten mit der Mündlichkeit des Storytelling und entwickelt so ein eigenes Englisch, das ungemein lebendig und präsent wirkt – ganz so, wie die Autorin selber im vollbesetzten Saal des DAI.
Kein Wunder, dass sich das Publikum schließlich mit zahlreichen weiteren Fragen zu Wort meldet, zur Lage in Simbabwe, zu Literaturtipps für weitere afrikanische Autorinnen und Autoren, zum Wahrnehmungsgefälle zwischen englisch- beziehungsweise französischsprachigen Romanen, gar nicht erst zu sprechen von Büchern auf Ndebele, der Erstsprache Bulawayos. Ja, es gäbe noch vieles mehr zu entdecken . . .
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